Aktionsplan zur Klimafolgen-Anpassung und zur Eindämmung der Klimakrise

Rekordhitze, Dürre, Waldbrände und Ernteausfälle: Die Wetterextreme haben rasant zugenommen und die Klimakrise ist angekommen. Auch bei uns in Deutschland. Und bisher sind wir dafür nicht wirklich gerüstet. Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise legt Annalena Baerbock jetzt einen Aktionsplan für Deutschland vor, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander verbindet.

Seit Wochen hält die Rekordhitze und enorme Dürre Europa in Atem. In den Jahren davor war es das Gegenteil. Frostschäden durch ungewöhnlich tiefe Temperaturen im Frühjahr 2017. Im Sommer 2016 verwüsteten Unwetter Deutschland, der Katastrophenfall wurde ausgerufen, Tote bei Hochwasser in Niederbayern, Hangrutsch in Baden, Tornado über Hamburg. Die Liste ließe sich für die vergangenen Jahre weiter fortsetzen und zeigt vor allem eines: Die Wetterextreme haben rasant zugenommen und die Klimakrise ist angekommen. Nicht mehr irgendwo in der Welt, sondern direkt vor unserer Haustür. Spätestens jetzt muss klar sein: Die Klimaerhitzung ist eine der größten Herausforderungen dieser Zeit. Auch bei uns. Und wir sind dafür bisher nicht wirklich gerüstet.

Die Klimakrise führt zu mehr Wetterextremen

2017 war das teuerste Jahr der Geschichte für Versicherungen. Naturkatastrophen verursachten weltweit versicherte Schäden von rund 135 Milliarden Dollar, mehr als je zuvor. In Deutschland verursachten Naturereignisse wie Stürme, Hagel und Starkregen vergangenes Jahr Schäden von schwindelerregenden zwei Milliarden Euro. Der Deutsche Bauernverband befürchtet Ernteausfälle von durchschnittlich 20 Prozent, in einigen Teilen Nord- und Ostdeutschlands sogar bis zu 70 Prozent in diesem Jahr.

Der Zusammenhang von Klimakrise und Wetterextremen ist bekannt und wissenschaftlich belegt. Trotz der hohen Unsicherheiten bei der Entstehung von Wetterereignissen gilt es als gesichert, dass die durch den Menschen verursachte globale Erwärmung zu einer drastischen Häufung von Extremwetterereignissen führt.

Grüner Aktionsplan für Klimaschutz und Klimaanpassung

Zur Abmilderung der Auswirkungen der Klimakrise braucht auch Deutschland einen Aktionsplan, der Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander verbindet. Damit werden Menschen, Städte, Umwelt und Natur widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise gemacht und können einen größeren Beitrag zur Minimierung der Klimakrise leisten.

Das Geld dafür sollte im Wesentlichen aus den zukünftigen Einnahmen durch eine CO2-Bepreisung gewonnen werden. Diese besteht nach unseren Vorstellungen aus zwei Komponenten: Für alle Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen – das sind vor allem die Kohle- und Gaskraftwerke – sollte es einen Mindestpreis für CO2 geben, der die Wirkung einer Steuer hat. Für die Sektoren, die bislang nicht vom Emissionshandel erfasst werden wie Verkehr, Wärme und Landwirtschaft, braucht es eine Anpassung der Steuersätze auf Kohle, Heizöl und Erdgas, die einpreist, dass die fossilen Energieträger für ihren jeweils spezifischen CO2-Ausstoss den wahren Preis zahlen.

Die Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung trägt dazu bei, dass Preise die ökologische Wahrheit sagen: Eine CO2-Bepreisung liefert in allen Sektoren den überfälligen Anreiz, den Einsatz fossiler und klimaschädlicher Energieträger wie Kohle, Öl und Gas zu reduzieren und durch Erneuerbare Energien zu ersetzen.

Der Klimafolgenanpassungsfonds besteht aus:

1. Entschädigungszahlungen für Betroffene
Es braucht eine umfassende Analyse, wer potentieller Geschädigter von Extremwetterereignissen infolge der Klimakrise in Zukunft sein wird. Derzeit sind nur 40 Prozent der Häuser in Deutschland gegen Elementarschäden versichert und gerade in den von Hochwasser gefährdeten Gebieten werden Versicherungen gar nicht mehr angeboten und sind kaum finanzierbar. Neben angemessenen Versicherungslösungen für die Betroffenen ist ein zusätzlicher Fonds für unbürokratische und zügige Entschädigungszahlungen aufzulegen für Menschen, deren Existenz bedroht ist.
2. Gesundheitsschutz
Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ist die Zahl von Todesfällen aufgrund von Herzkrankheiten während der Hitzewellen deutlich angestiegen. Besonders betroffen sind Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer um den Faktor 3 bis 5 erhöhten Todesrate durch Hitzewellen. Hinzu kommen Folgeprobleme wie eine massive Zunahme von Allergien, da sich etwa die Pollenflugsaison in den letzten 30 Jahren bereits um zehn bis zwölf Tage verlängert hat. Weil Menschen erhöhter UV-Strahlung ausgesetzt sind, verdoppelt sich auch die Zahl von Hautkrebserkrankungen alle 10 bis 15 Jahre. Für Warnsysteme, bessere Behandlungsmöglichkeiten von klimabedingten Krankheiten sowie Hitze-Aktionsplänen muss Geld bereitgestellt werden. Die Aktionspläne sollten eine koordinierte Kommunikation von Tipps und Verhaltensweisen für die Bevölkerung bei Extremwetterereignissen beinhalten.
3. Hitzeschutz beim Städte- und Wohnungsbau
Schon heute liegen die Temperaturen in einigen Großstädten wie Köln, Stuttgart oder Berlin im Sommer teilweise zehn Grad über denen des Umlandes. Menschen können nächtelang nicht schlafen. Wir brauchen einen Städte- und Wohnungsbau, der die Entwicklungen der Klimakrise berücksichtigt. Statt Betonwüsten braucht es mehr Bäume, Wasser- und Grünflächen und Frischluftschneisen in unseren Städten, denn sie wirken wie Klimaanlagen. Mit finanziellen Mitteln müssen Projekte für mehr Stadt- und Fassadenbegrünung, Schattenflächen, Häuserdämmung sowie Kühlung durch hocheffiziente Wärmepumpen in den Wohnungen gefördert werden. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen, die Luft und das Klima.
4. Entsiegelung von Flächen
Versiegelte Flächen heizen die Umgebung nicht nur unnötig auf, sondern können auch kein Regenwasser aufnehmen. Letzteres führt zu Überschwemmungen. Deshalb braucht es ein Programm zur Wiederherstellung geschädigter und versiegelter Böden in ihre natürliche Funktion als CO2- und Wasserspeicher.
5. Waldbrandschutz
Für den Fall großer Waldbrände braucht es bundesländerübergreifende Katastrophenpläne, ausreichende Spezialisten und eine gute Ausrüstung zum Beispiel mit Löschflugzeugen. Doch genauso wichtig wie eine Waldbrandstrategie ist Waldbrand-Prävention: Dazu gehören Vorsorgemaßnahmen wie Schutzstreifen und Waldbrandriegel sowie den nachhaltigen Umbau der Wälder insbesondere nach Sturmschäden von Monokultur-Nadelwäldern hin zu artenreichen Mischwäldern. Diese sind weniger brandgefährdet und zudem ein Gewinn für die Artenvielfalt.
6. Hochwasserschutz
Hochwasserschutz ist mehr als Deiche bauen. Mit Blick auf die mittlerweile alle paar Jahre hereinbrechenden Jahrhunderthochwasser ist eine prioritäre Finanzierung des ökologischen Hochwasserschutzes überfällig. Dazu eine Reaktivierung von Auen entlang von Flüssen, genauso wie Hochwasserkonzepte für Städte, die aufgrund ihrer massiven Versiegelung nicht für extreme Niederschläge gerüstet sind.
7. Moor-Renaturierung
Dass Moorböden als Acker- und Grünland genutzt werden, verursacht etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland und etwa vier Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen. Dabei sind Moore ideale Speicher von Wassermengen. Deshalb muss die Nutzung der Moorböden eingeschränkt und ein Moor-Renaturierungsprogramm aufgelegt werden, das regenerierbare Moorböden dauerhaft wiedervernässt.
8. Anpassung der Landwirtschaft und Forschung für robuste Pflanzen
Entschädigungen für Bauern bekämpfen nur Symptome. Wir müssen aber an die Ursachen ran. Die Anbausysteme der industriellen Landwirtschaft müssen hinterfragt werden. Fruchtfolgen müssen verändert und der Monokulturen-Anbau verringert werden. Manche Sorten, gerade auch alte Sorten, können der Klimakrise und dem Trockenstress zudem besser trotzen als andere – und brauchen, weil sie robuster sind, auch weniger Pestizide. Das heißt, die diesbezügliche Forschung und auch alternative Anbaumethoden deutlich stärker zu fördern. Zudem braucht es bei der jetzt anstehenden Neufinanzierung der europäischen Agrarsubventionen einen Richtungswechsel. Die Milliardengelder, die in die Landwirtschaft fließen, dürfen in Zukunft nur noch an solche Betriebe gehen, die klimafreundlich, umweltfreundlich und tiergerecht wirtschaften.

Anpassung ist jedoch keine Alternative zur Minderung von CO2. Jedes Grad Erderwärmung macht einen Unterschied, wie heftig die Auswirkungen der Klimakrise in den nächsten Jahrzehnten sein werden. Daher kommt es auch auf jede eingesparte Tonne CO2 an. Wenn wir nicht endlich raus gehen aus den fossilen Energieträgern wird es irgendwann auch für eine Anpassung zu spät sein.