Interview mit Gitta Gießwein

Interview mit der langjährigen GRÜNEN Ratsfrau und stellvertretenden Bürgermeisterin Gitta Gießwein über die kommunalpolitische Arbeit. Geführt von Brigitte Gregor-Rauschtenberger.

Brigitte: Im September sind Kommunalwahlen. Du bist für die Partei Bündnis 90/Die Grünen ehrenamtlich im Stadtparlament tätig und seit 6 Jahren auch stellvertretende Bürgermeisterin. Seit wann bist du in der Kommunalpolitik aktiv und was hat dich dazu bewogen?

Gitta: Ich bin seit ca. 38 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Ich war lange Jahre Fraktionsvorsitzende und zu Bürgermeister Dörings Zeiten schon einmal stellvertretende Bürgermeisterin. Ich bin seit meiner frühen Jugend politisch interessiert. In meiner Geburtsstadt Wuppertal habe ich mich in der Anti-Atom-, der Friedens- und Umweltbewegung engagiert. Seit der Geburt meines Sohnes 1979 wohne ich in Schwelm und es war eine Selbstverständlichkeit mich auch hier weiter politisch einzubringen. Da lag die Kommunalpolitik nahe.

Brigitte: Was sind heute deine Schwerpunkte in der Kommunalpolitik? Sind im Laufe der Jahre neue Themen hinzugekommen? Was hat sich seit den Anfängen verändert?

Gitta: Einen direkten Schwerpunkt habe ich nach den Jahren eigentlich nicht mehr. Als Ratsmitglied einer kleinen Fraktion muss man sich zwangsläufig mit fast allen Dingen beschäftigen. Ich glaube ich war im Laufe der Jahre auch schon Mitglied in allen Ausschüssen und habe dadurch einiges an Wissen angehäuft. Ich kann sagen, dass ich mich jetzt nicht mehr intensiv mit Schul-, Kinder und Jugendpolitik beschäftige, dafür aber mehr mit Seniorenpolitik. Als stellvertretende Bürgermeisterin komme ich bei Gratulationen und Ehrungen viel mit der älteren Bevölkerung zusammen. Dadurch bekommt man einen etwas anderen Blick auf evt. Probleme und Sorgen der alternden Bevölkerung. Die Ratsarbeit selbst ist insgesamt sehr viel aufwendiger geworden. Geändert hat sich gegenüber den Anfängen, dass die Kompetenz der Grünen nicht mehr in Frage gestellt wird.

Brigitte: Was macht heute das Grüne Profil aus?

Gitta: Die grundsätzlichen Grünen Themen sind geblieben, der Klimaschutz ist dazugekommen, wir sind aber heute auch breiter aufgestellt. Inzwischen sind viele unserer anfänglich belächelten Themen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wer die Arbeit der Grünen verfolgt wird feststellen, daß wir immer gut vorbereitet sind und sachkundig argumentieren und entsprechende Anträge stellen. Vieles davon wurde in den Jahren beschlossen, auch wenn wir nicht alle unsere Ideen 1 : 1 umgesetzt bekommen haben.

Brigitte: Welche kommunalpolitischen Themen stehen denn ganz konkret in Schwelm an? Welche Ziele werden verfolgt?

Gitta: Es ist ja bekannt, dass fast alle städtischen Gebäude ziemlich marode sind. Durch die seit Jahren schlechte Finanzsituation wurden nur die aller nötigsten Reparaturen ausgeführt. An allen Ecken und Kanten wurde gespart. Das rächt sich jetzt. Wir müssen kurz- und mittelfristig mutig die Erneuerung angehen. Die ersten Schritte sind durch die beschlossene Zentralisierung der Verwaltungsgebäude gemacht. Fürs Rathaus wird zum Jahresende der Spatenstich erfolgen. Beim Kulturhaus ist er unter Corona-Bedingungen im kleinen Rahmen erfolgt. Gleichzeitig wird intensiv in der Verwaltung am Konzept für die Erneuerung der Innenstadt gearbeitet; lange von den Grünen gefordert. Bei allen Bauvorhaben ist uns Nachhaltigkeit und Klimaschutz wichtig im Sinne der kommenden Generationen. In der neuen Wahlperiode stehen die Feuerwehrgerätehäuser und die Schulen ganz oben auf der Agenda sowie die Bädersituation.

Brigitte: Inwieweit spielen Landes- und Bundespolitik in der kommunalpolitischen Arbeit eine Rolle?

Gitta: Landes- und Bundespolitik spielt immer ein Rolle. Dort werden die Gesetze gemacht, die in der Kommune umgesetzt werden müssen. Leider vielfach ohne Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten der Kommune. Hier fordern wir seit vielen Jahren, dass endlich eine Neuordnung der kommunalen Finanzen von Bund und Land angegangen wird. Leider gehen weder SPD noch CDU und schon gar nicht die FDP auf diesen Ebenen das Problem an.

Brigitte: Die Grünen stellen zur Wahl zusammen mit der CDU einen Bürgermeisterkandidaten auf. Wieso stellen die Grünen keinen eigenen Kandidaten auf?

Gitta: Zum Zeitpunkt unserer Entscheidung war die Stichwahl noch abgeschafft. Wir hätten, wie die FDP auch eine*n Zählkandidat*in ins Rennen schicken können. Dies hätte zu einem sehr knappen Ausgang der Bürgermeister*innenwahl führen können. Ein Stadtoberhaupt, gewählt von einem Viertel der Wahlberechtigten hat keinen starken Rückhalt, das hatten wir schon einmal. Wir haben mit beiden großen Parteien Gespräche geführt. Die SPD hatte inhaltlich gar nichts anzubieten. Dazu muss man ja wissen, dass diese Person eine Menge Verwaltungserfahrung und optimalerweise auch politische Erfahrung in der Kommune haben sollte. Wir haben dann mit der CDU Kriterien formuliert, die ein*e Kandidat*in erfüllen sollte und sind dabei auf Herrn Lenz gestoßen. Er bringt die Erfahrung mit und ist auch noch Schwelmer.

Brigitte: Mit welchen Mitteln und Methoden wird im Jahr 2020 unter Corona-Bedingungen Wahlkampf geführt ?

Gitta: Im Einzelnen ist das noch nicht ganz klar. Wir werden wie immer plakatieren. Wenn möglich werden wir Samstag Vormittag Info-Stände in der Fußgängerzone mit Abstand durchführen damit wir der interessierten Bevölkerung unsere Programmatik erläutern können. Wegen Corona wird man Informationen sicher auch verstärkt übers Internet verbreiten. Wir werden sehen, was machbar ist.

Brigitte: Wir leben in einer Zeit, in der sich nur wenige Menschen für die Arbeit in Parteien interessieren. Wie sieht das bei den Schwelmer Grünen aus, gibt es Neuzugänge?

Gitta: Ja, es wird immer schwieriger Menschen zur Mitarbeit zu bewegen. In einer Großstadt ist es etwas einfacher, so zeigen es die Zahlen. Wir haben auch einige Neuzugänge und freuen uns riesig über eine bunte Mischung von Menschen, die auf unserer Wahlliste kandidieren.

Brigitte: Eine ganz kühne Frage: Wie sieht für dich die Stadt Schwelm in Zukunft aus? Sagen wir mal in 20 Jahren. Gibt es dann noch ein Freibad, eine städtische Musikschule, eine Bücherei und wie wird die kommunale Verwaltung arbeiten?

Gitta: Keine Ahnung. Wir haben aber durch den Bau des Kulturhauses eine langfristig angelegte und zukunftsorientierte Arbeit möglich gemacht. Die Bäderfrage ist noch nicht endgültig entschieden. Ich gehe aber davon aus, dass Schwimmen auch in 20 Jahren noch ein Thema sein wird. Die Arbeit der Verwaltung wird sich hinsichtlich Digitalisierung verändern. Ob dadurch Arbeitsplätze und/oder Büroräume wegfallen muss man dann sehen. Bei der Planung für das neue Rathaus wurde dies durch eine modulare Bauweise bereits in den Blick genommen.

Brigitte: Gibt es für dich ein Leben ohne Bündnis 90/Die Grünen? Wie verbringst du die Zeit, wenn du nicht für die Grünen tätig bist?

Gitta: Schon aus Altersgründen wird es ein Leben ohne politische Arbeit für die Grünen geben. In meiner freien Zeit gehe ich viel spazieren, lese oder arbeite im Garten.

Brigitte: Was bleibt noch zu sagen?

Gitta: Vielleicht noch so viel: Die Corona-Krise hat uns älteren Menschen viel abverlangt und tut es noch immer. Die wichtige Arbeit der Sozialpfleger*innen konnte nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden; sämtliche Veranstaltungen mussten ausfallen. Ich denke, dass wir zum Herbst wieder langsam die Dinge, wenn auch in einer anderen Normalität, angehen können. An entsprechenden Konzepten wird bereits gearbeitet. Ich hoffe, dass wir alle bis es einen Impfstoff oder aber lindernde Medikamente gibt, gesund bleiben in dem wir Rücksicht nehmen und Abstand halten.

Brigitte: Vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir sehen uns!